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Aus der Praxis

Ohne Moos nichts los: Karlsruher Abiturient sorgt für frische Luft

Schülerfirma Mozz

Allergikerinnen und Allergiker haben feine Antennen für die unsichtbaren Stoffe, die ihnen das Leben erschweren. Juckende Haut, tränende Augen und verkrampfte Lungen sind die untrüglichen Signale, dass etwas in der Luft liegt, dass Pollen, Hausstaubmilben, Feinstaub oder andere Quälgeister gerade Hochsaison haben.

Liam Kastner musste schon als Kind diese Erfahrungen machen. Entsprechend sensibel reagiert der Karlsruher seit jeher, wenn die Luft schlecht ist. Der heute 19-Jährige hat daraus ein kleines Unternehmen gemacht und – wenn alles so läuft, wie er sich das vorstellt – bald auch ein einträgliches Geschäft. Mozz heißt sein Start-up, das er im zarten Alter von 14 als Schulfirma begann und im Laufe dieses Jahres nun auf den Markt kommen soll. Die Idee: Mithilfe von Moosen soll die Luft in Innenräumen vom Feinstaub gereinigt werden. „Wir verbringen rund 90 Prozent unserer Zeit drinnen. Da ist es doch sinnvoll, wenn die Luft dort gut ist“, sagt er ebenso lapidar wie überzeugend.

Feinstaub fressende Pflanze

Mit zahlreichen Preisen ist seine Idee schon dekoriert worden. Unter anderem wurde er Dritter beim Bundesfinale des Schülerwettbewerbs „Jugend gründet“. Sein Businessplan wurde zum Besten aller Bewerber und Bewerberinnen gekürt. Bei dem Studentenwettbewerb GROW schaffte er es als erster und bisher einziger Schüler unter die Top Ten. Außerdem zeichnete die Vorsitzende der Initiative „Unternehmergeist in die Schulen“, Anna Christmann, seine Schulfirma im vergangenen November als eines von elf „Top-Start-ups in der Schule“ aus.

2017 begann er, sich mit dem Thema zu befassen. Er hatte gelesen, dass Moose Feinstaub speichern und verarbeiten können. „Das hat mich fasziniert. Da habe ich angefangen, herumzuexperimentieren.“ Mit gerade einmal 14 Jahren. Er forschte nach den unterschiedlichen Eigenschaften dieser Methusalems pflanzlicher Evolution, deren 16.000 verschiedene Arten sich – so die heutige Erkenntnis – vor mehr als 400 Millionen Jahren aus Grünalgen entwickelten. „Ich habe sehr viele Arten ausprobiert, bis ich das Flachmoos gefunden habe, das ich für meinen Mozz verwende“, sagt Kastner. Es hat eine große Oberfläche, zieht besonders viel Feinstaub aus der Luft und verwertet diesen auch. „Eine Feinstaub fressende Pflanze“ nennt er es.

„Durch die Preise und Auszeichnungen ist inzwischen eine größere Öffentlichkeit auf mein Projekt aufmerksam geworden“, sagt Kastner, der gerade – fast ganz nebenbei – am technischen Gymnasium der Carl-Engler-Schule in Karlsruhe sein Abitur macht. „Dadurch habe ich viele Kontakte knüpfen können, viele Meinungen und Ratschläge bekommen, die mir großenteils sehr weitergeholfen haben bei der Entwicklung meines Projekts.“ Seit er eine entsprechende Funktion auf seiner Webseite eingerichtet hat, haben sich außerdem bereits 300 Einzelpersonen, Unternehmen, Organisationen und Stadtverwaltungen als Interessenten vorgemerkt für die Zeit, wenn sein Mozz die Marktreife erreicht.

Erst die Hochschulreife, dann die Marktreife schaffen

Mitte dieses Jahres soll es so weit sein. Derzeit lässt er fünf neue, optimierte Prototypen bauen, die anschließend von verschiedenen Interessentinnen und Interessenten getestet werden, bevor er die letzten Bugs fixen kann. Danach soll sein Gerät endlich den Markt erobern – nach sechs Jahren harter Arbeit. Dass es sich zuletzt etwas hingezogen hat, lag einerseits an dem bevorstehenden Abitur, andererseits am Rückzug seines Partners Fabian Kern, der in den vergangenen drei Jahren für die technischen Details zuständig war. „Für ihn war das immer eher ein Hobby, ein bisschen Tüftelei“, sagt Kastner. Der musste sich nach dem Ausstieg des Freundes die technischen Fähigkeiten erst einmal selbst aneignen. Aber technische Spielereien haben ihn immer schon interessiert. Seine letzten Sommerferien verbrachte er im PionierGarage Launchpad, einem Co-Working-Space für junge Start-ups.

Das Durchhaltevermögen des jungen Unternehmers ist erstaunlich und die beste Voraussetzung für das Erreichen seines großen Ziels: Nach dem Abitur will der Karlsruher sich erst einmal voll auf Mozz konzentrieren.

Ganz der Unternehmer: Verantwortung tragen, Entscheidungen treffen

189 Euro würde ein Gerät derzeit kosten. Alle drei bis sechs Monate müssen zudem die drei Lagen Moos gewechselt werden. Das kostet jeweils noch einmal 30 Euro. „Ich hoffe aber, den Preis noch einmal deutlich reduzieren zu können, wenn ich wegen steigender Nachfrage größere Mengen produzieren kann.“ In dem Produkt steckt viel Handarbeit. Das Holz beschneidet er mit einem Laser selbst. Sein früherer Partner Fabian Kern hatte noch eine Schaltplatte konstruiert, welche die unterschiedlichen Funktionen des Raumerfrischers regelt.

Jetzt ist Liam Kastner auf sich allein gestellt – zumindest vorübergehend. Aber der wichtigste Teil der Vorbereitung ist getan. Entspannen kann er beim Fußball. Aber auch hier geht der ungewöhnliche Gründer einen ungewöhnlichen Weg. Er hütet nicht das Tor, verteidigt nicht, macht nicht das Spiel und schießt keine Tore: Er pfeift. Er hat lieber das große Ganze im Blick. Verantwortung übernehmen. Entscheidungen treffen. Das ist sein Ding. Ganz der Unternehmer.