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Aus der Praxis

Für mehr Kinderschutz im Straßenverkehr

Schülerfirma cycle guard

Aus der Beobachtung alltäglicher Probleme entstehen oft die besten Ideen. Diese Erfahrung machten auch drei Schülerinnen der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln. Sie waren im vergangenen Winter auf der Suche nach einem Projekt für ihre Teilnahme am Schülerfirmenwettbewerb von business@school. Auf ihrem täglichen Schulweg mit dem Fahrrad beobachteten sie Eltern, die ihre Kinder mit Lastenrädern durch die matschigen Straßen fuhren. „Das sah richtig gefährlich aus. Die Kinder sitzen sehr hoch und sind im dichten Verkehr kaum geschützt“, sagt Ann-Sophie Gräßler. Nach einigen Stunden Recherche und intensivem Brainstorming war die Idee geboren: Airbags für Lastenfahrräder. Ein halbes Jahr später kam der Lohn für die 17-Jährige und ihre gleichaltrigen Freunde Vincent, Anna, Antonia, Felix und Jonas: der Sieg beim Bundesfinale des Wettbewerbs als Team Cycle Guard.

Dazwischen lag viel harte Arbeit. Täglich widmeten sie mehrere Stunden nach der Schule der Entwicklung ihres Projekts. „Vor allem an den Wochenenden haben wir an unserem Produkt gefeilt – fast immer gemeinsam per Videokonferenz. Unser Rekord lag bei 17 Stunden am Stück“, erinnert sich Jonas. Nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch in der Führung ihres virtuellen Unternehmens sind sie gewachsen, indem sie die Aufgaben besser aufgeteilt haben. „Das hat uns unglaublich viel Zeit gespart. Am Anfang unterschätzt man den Aufwand. Durch die Aufgabenteilung sind wir viel effizienter geworden, weil sich jeder intensiv auf seinen Teilbereich konzentrieren konnte“, erklärt Felix.

„Vor allem die technischen Aspekte unserer Idee haben uns viel abverlangt“, fügt Felix hinzu. Doch die Mühe hat sich gelohnt. Sie präsentierten der Jury ein 3D-Modell des Airbags und konnten 800 virtuelle, aber garantierte Bestellungen von Fahrradherstellern vorweisen, die von ihrer Idee begeistert waren. Sie überzeugten den renommierten Airbag-Hersteller ISI, für sie ein virtuelles Design zu entwerfen, und nahmen Kontakt zum Technologiekonzern Bosch auf, der sie über die notwendigen Sensoren informierte.

„Der Sensor ist unter dem Sitzkasten über Kabel mit der Batterie des E-Bikes verbunden und löst die drei Airbags aus“, erklärt Jonas. Ein ungewöhnlicher Neigungswinkel des Fahrrads plus Krafteinwirkung aktivieren den Schutzmechanismus. Außerdem bleiben die Airbags so lange aufgeblasen, bis das Fahrrad zum Stillstand kommt. „Fast alle Fahrräder kippen bei einem Unfall um. Der Sicherheitsgurt bietet da nur eine trügerische Sicherheit“, sagt Ann-Sophie. „Unser Airbag ist dank eines widerstandsfähigen Materials so robust, dass er auch das Schleudern über den Asphalt übersteht“, ergänzt Felix.

Ihre Zielgruppe sind Fahrradhersteller, die das Produkt auf Kundenwunsch in die Bikes integrieren würden. Die Produktionskosten belaufen sich auf etwa 400 Euro. Für den Endverbraucher würde der Airbag rund 800 Euro kosten. „Unsere Analysen haben gezeigt, dass die Menschen durchaus bereit wären, diese Mehrkosten für die Sicherheit ihrer Kinder zu tragen“, sagt Ann-Sophie.

Aber das ist alles noch Theorie. Der nächste Schritt wäre der Bau eines Prototyps und verschiedene Testreihen, bevor sie eine Straßenzulassung erteilt werden kann. Doch das muss noch warten. Alle sechs besuchen die 12. Klasse der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln und machen im kommenden Jahr ihr Abitur. „Wir bräuchten etwa 100.000 Euro für die Entwicklung bis zur Marktreife und weitere 200.000 Euro für die Produktion der ersten Modelle“, sagt Felix.

Ob und wie es nach dem Abitur weitergeht, haben die sechs noch nicht entschieden. Sie haben sich bereits einen Gebrauchsmusterschutz gesichert. Jetzt hat für alle das Abitur höchste Priorität. „Was danach kommt, entscheiden wir im nächsten Jahr“, meint Ann-Sophie. Alles ist möglich: dass sie das Projekt gemeinsam fortführen, dass sie verschiedene Lebenswege einschlagen, „aber auch, dass nur einige die Idee beruflich weiterverfolgen“, sagt Jonas.

Stand: September 2024